„Das Kanu des Manitu“ kommt ins Kino: Funktioniert der Humor noch?
Schaut man sich die Liste der zehn erfolgreichsten deutschen Filme an, könnte man uns Deutsche für ein besonders lustiges Völkchen halten. Das Wende-Lustspiel „Goodbye Lenin“ (Platz 10) und Doris Dörries Beziehungskomödie „Der bewegte Mann“ (Platz 9) tummeln sich hier mit „Fack ju Göhte“ (Platz 5) und „Otto – der Film“ (Platz 3). Dazwischen versteckt sich auf Platz 7 etwas schamhaft „Der Schulmädchenreport“ aus dem Jahre 1970.
Je alberner, desto besser, lautet die leicht lesbare Erkenntnis aus der heimischen Kinohitparade, an deren Spitze seit 24 Jahren unangefochten Michael „Bully“ Herbigs „Der Schuh des Manitu“ mit mehr als 11,7 Millionen Zuschauenden thront. Herbigs Western-Parodie, die auch heute noch auf den Streaming-Plattformen ihren Kultstatus tapfer verteidigt, teilte schon damals die Gemüter.
Die einen kicherten sich lustvoll ins Delirium. Die anderen zuckten angesichts der humoristischen Harmlosigkeit des Werks ratlos mit den Schultern. Aber der Film passte gut in jenen sorglosen Sommer des Jahres 2001, der nur wenig später mit den Anschlägen vom 11. September in einer globalen Angststarre münden sollte. Es ist Herbig hoch anzurechnen, dass er der Versuchung und dem Druck widerstanden hat, dem Erfolgsfilm ein Sequel hinterherzuschicken - bislang.
In Hollywood wäre die Angelegenheit längst zu einem „Manitu Cinematic Universe“ ausgebaut worden. Nun, nach 24 Jahren, haben Herbig und seine Co-Drehbuchautoren Christian Tramitz und Rick Kavanian den Klappstuhl doch nochmal ausgegraben - mit dem „Kanu des Manitu“. Aber funktioniert der grundharmlose Humor der Western-Persiflage heute überhaupt noch?
Schließlich leben wir im Zeitalter erbitterter Kulturkämpfe, in denen sich „Woke”-Befürworter und deren Gegner in den sozialen Medien unnachgiebig bekriegen. „Indianer“ ist im politisch-korrekten Sprachgebrauch längst zum Unwort und der Begriff der kulturellen Aneignung zum neuen Bewertungsmaßstab geworden. Dabei hat sich „Der Schuh des Manitu“, der die Karl-May-Filme der 60er-Jahre parodierte, ja gerade auch über diesen deutschen Prototyp kultureller Aneignung lustig gemacht.
Dies gilt auch für die Fortsetzung „Das Kanu des Manitu“, die mit einer erstaunlichen Tiefenentspanntheit mit den aufgeladenen Erwartungshaltungen umgeht. Als nach einigen Filmminuten das erste Mal das „I-Wort“ fällt, vermerkt Herbigs Apachenhäuptling Abahachi ganz nebenbei in feinstem Bairisch „Sogt‘s bitte net Indianer“, und hat die Lacher von beiden Seiten der Diskursbarrikaden auf seiner Seite.
Mit der Souveränität eines erfahrenen Comedy-Veteranen lässt Herbig erst einmal das ganze Publikum einen tiefen Zug aus der Friedenspfeife nehmen und stimmt auf das ein, was auch dieser „Manitu“ noch sein will: ein einfacher Spaß, ein Bekenntnis zur Albernheit mit diversen Lachangeboten, auf die man sich mit zunehmender Laufzeit bereitwillig einlässt.
Die Story bleibt dem Prinzip der Western-Parodie treu und klaubt munter die Versatzstücke des Genres zusammen. Abahachi und Ranger droht der Galgen. Mord, Brandstiftung, räuberischer Überfall auf Züge, Casinos, Banken, Postanstalten, Seniorenheime und einen Wanderzirkus, Plünderung von Kircheneigentum sowie Hühnerdiebstahl werden ihnen fälschlicherweise zur Last gelegt. Aber natürlich wird der Strick um den Hals in letzter Sekunde von einer Gewehrkugel durchtrennt.
Fortan werden die Freunde nicht nur von dem Sherriff Kane (Friedrich Mücke) und seinem sächsisch sprechenden Deputy Ratford (Rick Kavanian) verfolgt, sondern auch von einer neu gegründeten Bande, deren Chefin (Jessica Schwarz) im Auftrag des legendären Ölprinzen arbeitet. Das Objekt der Begierde ist das titelgebende Kanu, das seinen Insassen ewiges Leben verleihen soll. Und so geht es kreuz und quer durch den Wilden Westen hin zu einem obligatorischen Höhlenlabyrinth, in dem das magische Boot versteckt ist.
Gendergerechtigkeit im Bandenwesen: Der Boss (Jessica Schwarz) hat ein Team von Revolvermännern, das zu allem bereit ist. Szene aus dem Film "Das Kanu des Manitu".
Quelle: Constantin Film
Mit einem großen Herzen für das Genre und dessen Verballhornung gehen Herbig und seine Mitstreiter Tramitz und Kavanian zu Werke. Dabei lebt der Film auch von dem amüsanten Kontrast zwischen Form und Inhalt. Weite Western-Landschaften im IMAX-Format, veritable Schießereien, eine Verfolgungsjagd auf einem fahrenden Zug und der ironisch-pathetische Soundtrack von Ralf Wengenmayr bilden den opulenten Rahmen für eine Gagparade, die keine Angst vor Fehlzündungen hat.
Herbig und Tramitz, die ihre Figuren als altes, streitfähiges Ehepaar anlegen, entfalten hier die fluffige Comedy-Chemie eines gut eingespielten Teams. Aber auch das Gesetzeshütergespann von Friedrich Mücke und Rick Kavanian sorgt für Komik, genauso wie die Bande der so gar nicht glorreichen Sieben, über die Jessica Schwarz mit der Verve einer Horterzieherin wacht.
Winnetouch darf als rosarote Zorro-Reinkarnation die Peitsche schwingen und auch Sky du Mont hat einen kurzen letzten Gastauftritt. Allen Unkenrufen zum Trotz ist Herbig ein Sequel gelungen, das den Geist des Kultfilms fortschreibt und seiner komödiantischen Albernheit eine gewisse Zeitlosigkeit verleiht. Die Fans werden ihren Spaß haben. Andere werden auch heute noch mit den Schultern zucken.
„Das Kanu des Manitu“, Regie: Michael „Bully“ Herbig, mit Michael „Bully“ Herbig, Christian Tramitz, Jessica Schwarz, 88 Minuten, FSK 6 (Filmstart am 14. August).
rnd